Woran denkst du?

Ich kenne dich schon eine Weile, doch längst nicht lange. Du bist mir nicht mehr fremd, die Vertrautheit ist bereits da. Sie hat sich wie eine weiche Decke auf uns gelegt, wir wärmen uns an ihr, Nacht für Nacht, Tag für Tag.

Manchmal glaube ich, deinem Blick Worte zu entnehmen, ohne dass du sie aussprechen musst. Und doch frage ich dich, was du denkst, schließlich könnte ich mich ja irren und deinen Blick falsch deuten. Noch selten habe ich deinen Gedanken erraten.

Du überraschst mich, immer und immer wieder. Manchmal glaube ich, dich zu kennen; dann machst du mir plötzlich ein unerwartetes Geschenk: eine liebevolle Geste, ein sanftes Wort, eine zärtliche Berührung. Ich kann mich nicht an dich gewöhnen. Wenn du zu mir kommst, kribbelt es im Magen. Wenn du bei mir bist, füllt sich die Leere. Wenn du gehst, entsteht Sehnsucht. Wenn du weg bist, sind die Tage und Nächte zu lang.

Oft habe ich Angst. Die Vorstellung, ohne dich zu sein, ist verheerend. Ich kann es mir nicht vorstellen, ein Leben ohne dich. Ich klopfe auf den leeren Stuhl und biete ihn dir an, den Platz in meinem Leben. Komm her, sage ich, bleib bei mir. Wenn du möchtest, für immer.

Du sitzt neben mir, im Restaurant, und legst deine große Hand auf meine. Sie verschwindet unter deiner. Deine Hand ist wie ein Zuhause, du schützt und wärmst mich. Ich lächle dich an, du antwortest mit strahlenden Augen. Woran du wohl gerade denkst?, frage ich mich und dich.

An dich, sagst du und streichelst mir sanft über die Wange. Sofort werden meine Finger kalt, ich nehme deine Hand und drücke sie. Lass mich nie wieder los, flehe ich, ohne es auszusprechen. Nimm mir dieses Glück nie wieder weg.

Am Nebentisch sitzt ein altes Paar. Sie sprechen nicht miteinander. Die Wangen der Frau sind eingefallen, ihr graues Haar ist zu einem strengen Zopf geflochten. Ihr Mann blickt starr auf seinen roten Wein, trinkt aber nicht. Gemeinsam sind sie sicher über hundertsechzig Jahre alt, was für eine lange Zeit. Eine starke Liebe, unsere steckt noch in den Kinderschuhen.

Ich küsse dich und lasse, wenn auch ungern, von dir ab. Ich denke an den heutigen Tag, unseren Ausflug in der Wintersonne, an diese wundervollen Stunden, die wir gemeinsam verbracht haben. Ich denke an unsere Worte, an unser Lachen, an die stillen Momente im Schnee. Dann betrachte ich noch einmal die beiden alten Leute am Nebentisch und frage mich, ob auch wir gemeinsam über hundertsechzig Jahre alt werden. Plötzlich regt sich das Gesicht der alten Frau, sie dreht vorsichtig den Kopf zu ihrem Mann, legt ihre faltige Hand auf seine und fragt so leise, dass ich sie kaum verstehen kann: Woran denkst du gerade? Er lächelt, hebt seine Hand und streicht seiner Frau über die Wange. An dich, antwortet er, woran denn sonst?

Es ist doch nur eine Nacht

Es ist doch nur eine Nacht, denke ich, drehe mich noch einmal zu dir um und lächle. Deine Augen verengen sich, blitzen in der Abendsonne, ein letzter Kuss, dann steigst du in dein Auto. Ich sehe dir nach, wie du davonfährst, abbiegst, dich von mir entfernst. Nur eine Nacht, nur ein paar Stunden, die können mir doch nichts anhaben. Du hast zu tun, ich habe zu tun, man soll sich schließlich nicht aneinander ketten, man muss sich auch mal gehen lassen. Natürlich lasse ich dich gehen, schließlich besitze ich dich nicht. Ich liebe dich, und was man liebt, lässt man frei. Freiheit tut gut, unser Vertrauen ineinander erlaubt uns diese Freiheit. Liebe schenken, Freiheit schenken, das haben wir uns versprochen.

Es tut gut, den anderen gehen zu lassen und selbst gehen zu dürfen. Eigene Wege einschlagen zu dürfen, sich entfalten zu dürfen und diese Erfahrung dann miteinander zu teilen. Die Liebe ist kein Gefängnis, sie soll uns bereichern, nicht einengen. Wer liebt, soll vor Glück schreien wollen, auch wenn man es dann nur ganz leise tut. Oft entfährt mir so ein kleiner Glücksschrei, wenn ich dich spüre, dich schmecke, oder einfach nur an dich denke.

Ich bin stehen geblieben, du bist längst nicht mehr auf meiner Straße. Ich stehe am Straßenrand, Autos hupen und ihre Fahrer fragen mit Gesten, ob ich nicht endlich über den Zebrastreifen gehen will. Nein, ich schüttle den Kopf, ich werde dich nicht verfolgen. Ich lasse dich gehen und warte, bis du zurückkommst. Schließlich ist es nur eine Nacht.

Ich wende mich ab und gehe nach Hause. Ich schließe die Wohnungstür auf, dein Geruch, unser Geruch empfängt mich. Ich sehe deine Kleidung auf meinem Bett, deine Tasse mit dem Kaffee von heute Morgen steht in der Spüle. Deine Spuren sind hier, die Krümel vom Frühstück, die Kissen mit deinem Kopfabdruck auf dem Sofa, deine Schuhe in der Ecke. Deine Zahnbürste, der Geruch nach deinem Duschgel im Bad. Es ist nur eine Nacht, sage ich leise und ziehe dein T-Shirt an, obwohl ich darin versinke.

Ich liege im Bett und denke an dich. Ich denke an unsere gemeinsame Vergangenheit, an unsere Zukunft. An den nächsten Tag, wenn du zurückkommst, nach dieser einen Nacht. Ich drehe mich zu der Seite, auf der du immer schläfst. Ich vermisse deinen Atem, die Wärme deines Körpers. Ich vermisse deine Küsse, mit denen du mich mitten in der Nacht aus dem Tiefschlaf reißt. Es ist doch nur eine Nacht, wiederhole ich immer und immer wieder, bis ich einschlafe. Plötzlich weckt mich ein Geräusch. Es ist Mitternacht, jemand klingelt an meiner Tür.

Selbst eine einzige Nacht kann zu lang sein.

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Liebe ist…

 

 

Liebe ist….

… wenn man auf den anderen wartet, obwohl man nicht sicher ist, ob der andere jemals ankommen wird. Wenn man den anderen nicht loslässt, ihn hält, auch wenn eigentlich keine Hoffnung auf eine echte Bindung besteht. Wenn man daran glaubt, dass eines Tages doch noch alles gut wird. Wenn man einfach nicht aufhört, mit dem anderen zu träumen, auch wenn diese Träume vielleicht doch nur Schäume sind.

Liebe ist…

… wenn man jede gemeinsame Minute genießt und jeder Abschied schmerzt. Wenn sich keine dieser Minuten verschwendet anfühlt, auch wenn man einfach nur schweigend beeinander sitzt. Wenn ein einziger Kuss genügt, um sich gegenseitig glücklich zu machen. Wenn man sich fast schon verzweifelt liebt, weil das nächste Mal ungewiss ist.

Liebe ist…

… wenn man sich Mut macht. Wenn man den anderen unterstützt. Wenn man dem anderen einen Haustürschlüssel gibt, auch wenn man weiß, dass der andere ihn vielleicht nie benutzen wird. Wenn man dem anderen einen warmen Unterschlupf anbietet, damit er nie im Regen stehen muss. Wenn man für den anderen eine Zahnbürste und Hausschuhe kauft. Wenn man die Rufe des anderen niemals ignoriert und man ihm nie das Gefühl gibt, zu stören.

Liebe ist…

… wenn man dann zur Stelle ist, wenn der andere es braucht. Wenn man sein kaltes, leeres Zuhause mit Wärme füllt, durch eine kleine Kerze, einen heißen Kaffee oder einfach nur durch Dasein. Wenn man mit ihm Kisten schleppt, Betten zusammenschraubt und dem anderen in keiner Minute das Gefühl gibt, allein zu sein.

Liebe ist…

… wenn man sich nach all dem, was man miteinander durchgemacht hat, immer noch mag.

 

 

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